Gestern und doch schon ewig her.

Gestern und doch schon ewig her.

wenn ich an meinen vater zurückdenke, ist es eigentlich gar kein „zurückdenken“. er ist bald zwei jahre tot und es wirkt immer noch surreal, wenn ich mir nochmal den anfang dieses satzes vor augen halte. er ist bald zwei jahre tot. dass ich zuletzt mit ihm geredet habe, fühlt sich nicht wie zwei jahre an. hätte auch vor ein paar wochen sein können. und ich frage mich, ob sich das für immer so anfühlen wird. oder ob ich auch irgendwann mal, so in .. fünf, zehn, zwanzig jahren sagen werde: „hach ja, damals, als mein vater noch gelebt hat.“

das lied mochte ich eigentlich nie so richtig. ich fand es immer recht langweilig. 2019 habe ich während den konzerten immer genervt gewartet, bis das lied vorbei ist, wenn sie das gesungen haben, weil ich es so .. langweilig fand.

dann, „damals“ im herbst 2022 während der tour, hat es eine andere bedeutung bekommen, nämlich da, als nicks kleiner bruder aaron gestorben ist und die jungs dieses lied unter tränen dem verstorbenen gewidmet haben. seither erinnert mich dieses lied daran, wie es sich anfühlt, wenn man stundenlang geweint hat, verrotzt, verschwitzt und angestrengt vom vielen weinen. diese schwere in der brust, die man hat, die man nur in solchen ausnahmesituationen empfindet, zu der man sonst gar keinen zugang hat.

und das wiederum erinnert mich an diesen ganzen herbst 2022, der etwas ganz besonderes war mit diesem … ganzen monat voller backstreet boys tour. einfach mal einen monat lang hinter den jungs hinterherreisen. und damit meine ich nicht unbedingt nur das positive und das aufregende, sondern einfach .. alles. diese ganz besondere zeit nach dem tod meines vaters, als alles neu und anders war. überhaupt.. wie komisch das jahr war. nach dem tod meines vaters diese .. monatelang wabernde dunkle wolke an .. trauerphase. und boom, mit einem schlag, jetzt sind die backstreet boys da, jetzt gilt es einen monat lang zu feiern. die zeit war so extrem, so extrem mit so viel freude wegen bsb, so viel trauer wegen meinem vater und so viel spannung wegen dem schwarzen loch, was auch zu dieser zeit sehr präsent war. ich denke an mein erstes konzert in köln, als sie „don’t wanna lose you now“ gesungen haben, ein lied, das ich sehr mit meiner kindheit verbinde und auch sehr mit meinem vater, weil das zu der zeit war, als mein vater und ich beide zusammen die backstreet boys so gehyped haben. ich stand mit meinem weißen dirndl im dna circle und hab mich an die bühne gelehnt und geheult, weil es das erste mal seit dem tod meines vaters war, dass ich die jungs wieder live gesehen habe. „unsere“ backstreet boys, was meinem vater auch sehr gefallen hätte. neben mir stand eine 17jährige, die „neu-fan“ war, sie tippte mich an und gab mir ein taschentuch und fragte, ob alles in ordnung sei.

seit mein vater gestorben ist, gab es nur wenige tage, an denen ich nicht ein einziges mal an ihn gedacht habe. ich will nicht sagen, dass es „keinen“ tag gab, denn das stimmt nicht. in kentucky habe ich vieles vergessen. aber normalerweise denke ich jeden tag, eigentlich relativ oft, an meinen vater, wenn auch nicht mehr ständig mit diesem schmerz, das ginge auch gar nicht, da wird man ja krank. der schmerz kommt eigentlich nicht so oft durch, wenn ich ehrlich bin, um nicht zu sagen „fast nie“, da bin ich mittlerweile ganz gut drin geworden. neulich hat er sich dann aber doch blicken lassen.

tobi und ich sind vom abendessen von tobis lieblingsgasthof nach hause gefahren und irgendwie, warum auch immer, musste ich daran denken, dass ich das binden einer krawatte von meinem vater gelernt habe. ich hatte vorher, im laufe des tages irgendwann mal, ein reel auf instagram gesehen mit einem krawatten-bind-hack und an den musste ich denken, als wir nach hause gefahren sind. ich dachte daran, dass es bestimmt zig tausend arten gibt wie man eine krawatte binden kann und ich kenne halt diese eine, von der ich dachte, dass das die ultimative, einzige art sei, eine krawatte zu binden. und irgendwie kam mir dann in den sinn, dass es halt das war, was mein vater wusste und er mir eben das beigebracht hat, als ich irgendwann mal, als ich mal wieder bei ihm rumgesessen bin – einfach nur, weil als kind mein vater mein liebling war und ich am liebsten immer bei ihm rumgesessen bin. das war das, was er wusste, das war das, was er konnte, und das hat er mir gegeben. keine ahnung, aber das löst richtig schmerz in mir aus. dieses.. mir das geben, was er geben konnte. da musste ich kurz schlucken. gedanken, die man so während dem autofahren hat.

der tod von meinem vater fühlt sich… zeitlos an. das hätte quasi immer sein können, letztes jahr, letzte woche, gestern. aber 2022, der backstreet boys herbst, der ja eigentlich erst danach war, das fühlt sich tatsächlich an wie 2022 und weit entfernt. dieses ganze umherreisen, köln, berlin, hannover, frankfurt, mannheim, münchen, leipzig, dann wieder köln, später noch antwerpen. und wie ich mich in einer der städte mit dem schwarzen loch getroffen habe, weil ich gerade in der nähe seiner arbeit war. wir liefen rum, in seiner mittagspause, und haben pommes in einem imbis gesessen und geredet. ich denke an den moment, als wir uns verabschiedet haben. ich habe geweint und er hat mit seinen fingern eine träne abgewischt und mich auf die wange geküsst. er hat mich ganz ernst angeschaut und gar nichts gesagt. ich konnte in seinem blick sehen, wie schwer es ihm fiel. ein kurzes einatmen – „okay, ich muss jetzt los. am besten, du läufst da drüben entlang und ich hier.“ – „warum, ist hier jemand, den du kennst?“ – „ja. die ganze stadt hat augen.“

schon komisch. das fühlt sich alles an, als wäre es ewig her. und dabei ist mein vater doch gefühlt erst gestern gestorben.

suzaku

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